Meine Idee für eine Reform des Sozialstaates: Das Kindergeld Plus
Wie geht es weiter nach der Kindergrundsicherung? Welche Hürden gilt es bei der Kinderarmut umzuwerfen? Wo muss sich der Sozialstaat verändern?
Noch vor Kurzem war die Kindergrundsicherung eines der großen Themen der Ampelkoalition, die als Vorzeigeprojekt für Sozialreformen stand. Sie sollte die Kinderarmut bekämpfen und die Familien besser unterstützen. Ziel war es, verschiedene kindbezogene Sozialleistungen in einem digitalen und modernen Verwaltungsprozess zu bündeln. Dabei waren sich alle Beteiligten in der Ampel einig. Doch was vielversprechend klang, blieb in der Praxis ein bürokratisches Labyrinth: Unklare Zuständigkeiten, redundante Nachweispflichten und eine Flut an Anträgen hätten die Betroffenen eher belastet und nicht besser unterstützt. Somit hatte sie es, obwohl sie über ein Jahr im parlamentarischen Verfahren steckte, nie zur Gesetzesreife geschafft. Zu groß war der gordische Knoten aus Vewaltungskomplexität, Förderalismuswirrwarr und vor allem der vorhandenen Sozialbürokratie.
Diese Art von Bürokratie, die auch in vielen anderen Bereichen in unserem Sozialstaat zu finden ist, sorgt dafür, dass diejenigen, die Sozialleistungen dringend benötigen, oft nicht davon profitieren, während andere, die die Zeit und Mittel haben, sich durch das puzzelartig entstandene System zu kämpfen, leichter Zugang finden. Das ist nicht nur ungerecht, sondern untergräbt auch das Vertrauen in den Sozialstaat.
Dabei müssten die Sprache und Haltung gegenüber der sozialen Mitte der Gesellschaft, die der Staat in den letzten Jahren bei seiner Unterstützung entwickelt hat, eine andere werden. Es darf nicht darum gehen, dass Familien, in denen Elternteile arbeiten gehen, beim Staat um Unterstützung bitten müssen. Vielmehr sollten sie ihren fairen Anteil des eigenen Lohns als gesellschaftlicher Unterstützung behalten dürfen – ohne Hürden und Scham. Mehr Netto vom Brutto als Lösung und nicht ein Antrag bei einer Sozialbehörde.
Ein weiteres Problem zeigt sich in der aktuellen Debatte über den Sozialstaat, die oft in Extremen geführt wird. Auf der einen Seite wird das Bild des „Versorgungsstaates“ gezeichnet, auf der anderen der Mythos des radikalen Eigenverantwortungsideals. Dabei wird zu oft übersehen, dass viele Herausforderungen gerade an der Schwelle zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Familien von staatlichen Leistungen liegen.
Denken wir an die alleinerziehende Kassiererin in München: Sie steht früh auf, arbeitet hart und versucht, mit ihrem Einkommen über die Runden zu kommen. Wenn dann eine unerwartete Ausgabe wie eine teure Klassenfahrt ansteht, wird dies schnell zu einer enormen Belastung. Familien im Bürgergeldbezug erhalten diese Ausgabe über das Bildung- und Teilhabepaket erstattet. Für die Familien auf der gegenüberliegenden sozialen Seite stellt diese Ausgabe generell kein größeres finanzielles Problem da. Die Familie der Kassiererin hingegen muss vielleicht die Prioritäten zwischen der Reparatur der Waschmaschine, dem Kauf neuer Winterkleidung und der Klassenfahrt neu überdenken, obwohl dabei natürlich nie eine gute Lösung entstehen kann.
Ein wichtiges Instrument in dieser Hinsicht könnte das Kindergeld Plus werden. Es soll gezielt Familien mit niedrigem Einkommen entlasten. Es geht dabei aber nicht darum, neue Ansprüche zu schaffen, sondern die bestehende Unterstützung so zugänglich zu machen, dass sie genau dort ankommt, wo sie gebraucht wird.
Ein zentrales Problem bisher ist, dass zusätzliche Bruttoeinkommen für Familien kaum zu einer spürbaren Steigerung des Nettoeinkommens führen. Ein Beispiel: Ein Ehepaar mit zwei Kindern (7 und 9 Jahre) hat bei Einkommensanteilen von 33% und 67% nur einen Nettoanstieg von 139 €, trotz eines Bruttozuverdienstzuwachses von 2.965 € auf 4.730 € Brutto und damit 1.765 €. Wo bleibt da die Motivation im Job mehr Verantwortung zu übernehmen und vielleicht sogar mehr Zeit zu investieren?
Anders als bisherige Sozialleistungen basiert das Kindergeld plus auf einem vereinfachten Verfahren: Familien, die ohnehin eine Steuererklärung abgeben, können mit wenigen zusätzlichen Angaben automatisch von dieser alternativen Variante zum Kinderzuschuss profitieren. Die Auszahlung erfolgt dann zwar nicht monatlich, aber dafür direkt und unbürokratisch.
Das Kindergeld Plus ist als zusätzlicher Steuerabsetzbetrag ausgestaltet, der die Steuerlast der Familie direkt reduziert. Statt ihnen nach aktueller Förderlogik erst das Geld als Steuer abzunehmen, um es ihnen dann als staatliche Geldleistung wieder zurückzugeben. Es soll nicht den Kinderzuschlag ersetzen, sondern eine Alternative bieten, ähnlich dem Modell von Kindergeld und Kinderfreibetrag. Dadurch würden auch Familien profitieren, die bislang auf den Kinderzuschlag verzichtet haben, obwohl sie Anspruch darauf hätten. Gründe hierfür sind oft mangelnde Bekanntheit, komplizierte Antragsverfahren oder eine voraussichtlich geringe monatliche Auszahlung.
Die Vorteile gegenüber dem aktuellen Kinderzuschlag sind die Reduzierung der Steuerlast, anstelle einer gesonderten Förderung. Der Familie bleibt also mehr Netto vom Brutto übrig. Bisher müssen Familien bei fast 5.000 € Bruttoeinkommen dennoch zu einer gesonderten Sozialbehörde und riskieren mögliche Rückzahlungen. Mit dem Kindergeld plus erhalten sie am Ende des Jahres, was ihnen rechtmäßig zusteht. Das Selbstverständnis wechselt vom Sozialleistungsempfänger hin zur steuerzahlenden Mittelschicht.
Das Kindergeld Plus setzt genau dort an, wo bisherige Systeme oft versagen: Es hilft der „fleißigen Mitte“, die jeden Tag zur Arbeit geht, aber dennoch oft kaum über die Runden kommt. Für diese Familien wird jede zusätzliche Anstrengung belohnt, und sie erhalten eine Unterstützung, die ihnen zusteht – ohne dass sie durch einen bürokratischen Dschungel navigieren müssen.
Das eigentliche Problem des Sozialstaats liegt nicht in einem Mangel an Unterstützungsleistungen, sondern in deren Komplexität. Die Lösung liegt daher nicht in neuen Versprechen, sondern darin, dass der Staat bestehende Ansprüche effektiv umsetzt und damit wieder Vertrauen schafft.
Das Kindergeld Plus könnte ein solcher Schritt in die richtige Richtung sein: zielgenau, unbürokratisch und respektvoll. Denn es geht darum, Familien zu entlasten und dafür zu sorgen, dass jede Anstrengung sich auszahlt – für die Kinder, die Eltern und unsere Gesellschaft als Ganzes.